Hugh Hefner und «Playboy»: Wie kam er so lange damit davon (2024)

Der Mann hinter dem Magazin «Playboy» war mehr als sechzig Jahre lang Teil der amerikanischen Kultur. Er spiegelte dabei den Wandel der Gesellschaft – vom Revolutionär in Sachen Sex wurde er zum bizarren Reality-TV-Star. Nun zeigt eine Doku-Serie die dunklen, missbräuchlichen Seiten seines Imperiums.

Katja Müller

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Vielen ist Hugh Hefner in Erinnerung als Mann in Seidenpyjama und Morgenmantel, der in seiner luxuriösen Playboy-Mansion in Kalifornien lebte, umgeben von makellosen Blondinen, die – gegen Ende seines Lebens – siebzig Jahre jünger als er waren. Ein exzentrischer Millionär, der mit «Playboy» ein Imperium und eine Marke aufgebaut hatte, die Sex und nackte Haut verkaufte, aber auch einen Lebensstil, den er verkörperte.

Es gab zwar immer wieder Kritik und Skandale, aber Hefner kam meist unbeschadet davon. Nun startet in diesen Tagen beim amerikanischen Sender A&E die Doku-Serie «Secrets of Playboy», die ein anderes Bild von ihm zeigt. Ehemalige Freundinnen, Playmates und Mitarbeiter beschreiben die Abgründe hinter der glitzernden Fassade. Sie zeigen, wie weit das Image von der Realität entfernt war. Frauen seien mit Drogen und Beruhigungsmitteln für regelmässige, minuziös geplante Orgien in der Playboy-Mansion gefügig gemacht worden. Hefner habe Frauen als sein Eigentum betrachtet und sie manipuliert. Sexuelle Übergriffe seien vertuscht worden, um sein Image und jenes seiner prominenten Freunde zu schützen.

Auch im kürzlich erschienenen Podcast «Power: Hugh Hefner» wird das repressive Klima in Hefners Imperium beleuchtet.

Die Geburt des «Playboy»

Die Sicht auf Hefner und den «Playboy» veränderte sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder; sie spiegelt auch den Wandel der amerikanischen Gesellschaft. Hefner wurde 1926 in Chicago geboren, seine Eltern waren konservative, streng gläubige Methodisten. Nachdem Hefner eine typische amerikanische Karriere mit seriösem Job und Ehe eingeschlagen hatte, scherte er in den 1950er Jahren aus.

1953 erschien die erste Ausgabe des «Playboy», das Echo war enorm. Noch nie wurde so viel nackte Haut gezeigt. Der Lebensstil des kultivierten Junggesellen, der Literatur, Kunst und vor allem Sex und schöne Frauen liebte, war geboren. Im Zentrum stand Hefner, der Prototyp des Playboys, der sich eine Welt ganz nach seinen Phantasien schuf. Bis in die 1970er Jahre war «Playboy» zu einem Imperium mit Casinos, Resorts und Klubs angewachsen. Dort arbeiteten die berühmten «Bunnies», Frauen in Häschenkostümen. Vom Magazin wurden bis zu sieben Millionen Exemplare verkauft.

Es war die Zeit, in der die 68er Bewegung die Grundfesten der bürgerlichen Ordnung niederreissen wollte. Kritisiert wurde Hefner von damaligen Sittenwächtern, die ihm die Schuld am moralischen Zerfall der Gesellschaft gaben. Hefner verstand sich als Vorreiter der sexuellen Revolution, der Meinungsfreiheit und der Gleichberechtigung. Tatsächlich war «Playboy» auch bekannt für hochstehende Interviews und progressive Artikel. Hefner setzte sich für die Bürgerrechtsbewegung und hom*osexuelle ein.

Was allerdings die sexuelle Revolution betraf, so wurde er von Feministinnen scharf kritisiert. Frauen wurden im «Playboy» lediglich als Objekte dargestellt und instrumentalisiert, die Befreiung betraf nur Männer, weibliche Bedürfnisse waren kein Thema.

Kritik prallte an Hefner ab

Einige Jahre lang ging es mit dem Unternehmen bergab. Hefner zog sich in seine Mansion zurück. Kritische Bücher über seine berüchtigten Partys und Skandale auf dem Anwesen erschienen, ohne aber Konsequenzen zu haben.

Um die Jahrtausendwende kehrte Hefner in einer neuen Rolle zurück. Der «Playboy» gehörte mittlerweile zum Mainstream. Die Zeit der seichten Reality-TV-Shows war angebrochen. Sexismus und Voyeurismus prägten die Darstellung von Frauen, meist wurden sie als dümmliche Püppchen inszeniert. Einige – wie Paris Hilton oder Kim Kardashian – zogen daraus Kapital, andere gingen daran zugrunde. Mittendrin waren Hugh Hefner und seine Playboy-Mansion. Die Serie «The Girls Next Door» zeigte den glamourösen Alltag des mittlerweile 80-Jährigen und seiner drei Freundinnen, alle um die 20.

Hefner schien aus der Zeit gefallen, eine Karikatur seiner selbst. Aber dennoch war er eine Ikone der Pop-Kultur und Liebling der Medien. Strikte Regeln im Haus, zum Beispiel, dass seine Freundinnen abends nicht ausgehen oder keinen Besuch empfangen durften, sah man ihm als Spleens nach. Man war der Meinung, dass seine zahlreichen Gespielinnen wussten, auf was sie sich einliessen.

Dem widersprach Holly Madison, eine dieser Freundinnen, später. Sie sei wie in einer Sekte isoliert worden und habe Depressionen bekommen. Als sie in einem Buch Hefner als kontrollsüchtig und manipulativ beschrieb, wurde sie selbst kritisiert. Der «Playboy»-Gründer konnte sich aus der Affäre ziehen. Um seinen Ruf zu bewahren, versuchte er auch andere Kritikerinnen schnell mundtot zu machen.

Veränderte Sichtweise dank #MeToo

Als Hugh Hefner 2017 starb, waren viele Nachrufe auf den 91-Jährigen voller Lobgesänge. Sein liberaler Geist habe das verkrustete, prüde Amerika verändert. Der Einsatz für die Bürgerrechtsbewegung und die freie Meinungsäusserung wurde betont. Nur wenige Artikel zeichneten ein differenziertes Bild des «Playboy»-Gründers und erwähnten Berichte von verabreichten Drogen, sexuellen Übergriffen und emotionalem Missbrauch.

Nun rücken diese Vorwürfe in den Vordergrund, ausgelöst durch einen weiteren gesellschaftlichen Wandel. Im Zuge der #MeToo-Bewegung wurde öffentlich über Sexismus, Macht und sexuelle Gewalt gesprochen. Männer, die bisher unantastbar schienen, wurden angeklagt. So warfen mehr als sechzig Frauen dem Schauspieler Bill Cosby vor, sie betäubt und vergewaltigt zu haben. Einige dieser Übergriffe seien in der Playboy-Mansion seines Freundes Hefner passiert. Damals hatten die Frauen geschwiegen.

Heute werden Missbrauch und Ausbeutung nicht mehr einfach hingenommen, sondern beim Namen genannt. Im Lichte des aktuellen Zeitgeists zerfällt die beschönigte «Playboy»-Welt von Hefner und zeigt seine Rücksichtslosigkeit.

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